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Saturday 14 February 2015

Ernst Kalkkuhl's Memorandum - German text

Below is the German text of Ernst Kalkkuhl's Memorandum.  It is not a perfect copy as the Optical Character Recognition software has not read it completely accurately, but is hopefully understandable.



Denkschrift
Meine Amtsenthebung ein Werk der NSDAP.
Einleitung
Wie die ganze Kulturwelt so steht auch das Oldenburger Land im Bann des Urteils, das in Nürnberg über die NSDAP gesprochen und an einigen der prominenten Hauptführer schaurig vollstruckt worden ist. Nach langen objektiv geführten Verhandlungen, in deren Verlauf die
Angeklagten und ihre Verteidiger jeden erdenklichen Entlastungsgrund vorbrachten, ist das wahre Wesen des Nationalsozialismus vor der Weltöffentlichkeit mit erschreckender Klarheit offen gelegt worden. Das deutsche Volk müßte dankbar sein, daß der dichte, dunkle und
propagandistische Vorhang hochgezogen und nun jeder, der guten Willens ist, die Wirklichkeit der NSDAP, ihr schreckliches Tun und Treiben klar erkennen kann. Bevor die NSDAP in einzelnen Ländern Deutschlands und im Reich an die Macht gekommen war, hat der nationalistische, bombastische Lügengeist in weiten Kreisen des Volkes sein alles zerstörendes Unwesen gehabt.
Die direkten Opfer der NSDAP sind heute größtenteils bekannt, doch die indirekten zahlreichen Opfer nach und vor 1933 werden der breiten Oeffentlichkeit meistens unbekamt bleiben. Bei meiner Amtsenthehung, die am 19. Oktober 1931 verfügt wurde, haben Nazis, Nazimethoden und Nazigeist eine entscheidende Rolle gespielt, wie die weiteren Darlegungen zeigen werden.





1. Das Ammerland, eine Hochburg der NSDAP.
Aus „Das Ammerland — ein Heimatbuch“, Westerstede 1940, sei folgendes wörtlich angeführt: Seite 91: 1928 wurde in Edewecht die erste nationalistische Ortsgruppe gegründet. In rascher Folge folgten weiter Ortsgruppen-Gründungen. Das Ammerland war vom Nationalsozialismus erobert. Schon bei der Reichstagswahl vom September 1930 erhielt die NSDAP hinsichtlich der
Stimmenzahl im Amtsbezirk Westerstede weitaus die absolute Mehrheit, bei der Landtagswahl im Mai 1932 bereits eine' glatte vierfünftel Mehrheit".
Seite 205: „Am 23. März 1930 konnten sämtliche am erlindischen Ortsgruppen zum Bezirk Ammerland der NSDAP zusammengeschlossen werden. In diese Zeit fällt auch die Gründung der SA".
Seite 206: ·„Das Jahr 1931 war das Jahr der großen Ernte. Die Landtagswahl am 17. 5. 1931 brachte auf dem Ammerland von 11980 Stimmen 8880 für die NSDAP. „lmmer mehr Ortsgruppen wurden gegründet, die Mitgliederzahl stieg von Tag zu Tag, die SA erhielt gewaltigen Zuwachs, die ammerländische SS und Hitlerjugend wurden gegründet. Jeder Tag brachte neue Arbeit. Die Bewegung war in Fluß, in diesen Tagen wurde das Ammerland zur Hochburg des Nationalsozialismus.“  „Die Reichstagswahl im März und April 1932 und die am 29. 5. 1932 stattgefundene Landtagswahl, durch die der Freistaat Oldenburg der erste rein nationalsozialistische Staat im deutschen Reich wurde. bewiesen, daß das Ammerland an diesem Erfolg ein gutes Anteil hatte, gehörten doch von insgesamt 13559 abgegebenen Stimmen der NSDAP hier allein 11256; Bei den späteren Wahlen stieg das Verhältnis noch - die Bevölkerung wählte nationalsozialistisch!"

2. Allgemeine Ursache der Finanznot der Gemeinde
Nach dem verlorenen Krieg 1914/18 brach für die Gemeinden in Stadt und Land eine sehr schwere Zeit an. Der völlige militärische politische und wirtschaftliche Zusammenbruch in Verbindung mit ungeheuren Reparationsleistungen in Sachwerten und Gold, führte in die bis dahin größte Inflation der Weltgeschichte. Die Folgen waren: große Allgemeine Unzufriedenheit und Ratlosigkeit, das sich in widersinniger Parteizersplitterung am besten widerspiegelt. Nach Einführung der Rentenmark, die ihren Sicherheitsfaktor in der Belastung von Industrie und, Landwirtschaft hatte, durchlebten wir größte Geldknappheit, wodurch erhebliche Schwierigkeiten in Reich, Staat und Gemeinden entstanden. Die Jahres-Budgets konnten nicht ausgeglichen werden. Viele Städte und Gemeinden mussten In- oder Auslandanleihen aufnehmen. Bei der zunehmenden Erwerbslosigkeit stiegen die sozialen” Aufwendungen sprunghaft in die Höhe. Das Reich führte eine rigorose Finanzreform durch. Die Gemeinden wurden dadurch Kostgänger des Reiches. Die wenigen ¤ eigenen Einnahmequellen waren völlig unzureichend. * ' In diese Zeit fällt die Freilassung Hitlers, des Hochverräters aus der Festungshaft. Das neue Evangelium· Hitlers: “Mein Kampf", wurde in Millionen Exemplaren unter das Volk geworfen. Für sein “unabänderliches Programm" wurde jetzt in Wort und Schrift, in Stadt und Land mit einer bis dahin nicht gekannten raffinierten und skrupellosen Propaganda geworben. Jede staatliche Verwaltung und Ordnung wurde unterminiert, und dem Volke, ja, jedem, alles versprochen.

3. Sekundäre Ursache der Finanznot der Gemeinden
Von 1924/25 an verbreitete sich die furchtbare Weltwirtschaftskrise, die in Deutschland ...stetig —-größerem--. Schwierigkeiten in Handel und Industrie, in Landwirtschaft und Gemeindemauslöste. In erschreckender Weise stieg die Zahl der Erwerbslosenz die allgemeine Kaufkraft sank rapide. Radikale Elemente von rechts und links suchten mit allen Mitteln die Volksmassen Aufputschen. Erinnert sei an den Kommunistenputsch in der Gemeinde Apen von Oktober 1923. Das ’Aufputschen der ‘ . Bevölkerung ging soweit, dass, der Landbund in öffentlichen Versammlungen Steuerverweigerung diskutierte. Bei notwendigen Steuerexekutionen wurde die schwarze Fahne hochgezogen und breite Massen des ‘Volkes demonstrierten bei diesen Anlässen. Disziplin und Ordnung. gegenüber Staat und Gemeinden waren stark gefährdet. Diese lange anhaltenden Zeitverhältnisse sind in erheblichem Maße die Ursachen des finanziellen Zusammen‘ Bruchs der Gemeinden.

4. Der Dämon der Zeit
Die allgemeine Not des Volkes, besonders der Arbeiter und der Schar der sozial Bedürftigen stieg von Tag zu Tag, von Monat zu Monat. Nur die reinen Agrargemeinden konnten finanziell sich halten. Die Gemeinden mit ‚lndustriebevölkerung wurden durch Sozial- und Wohlfahrtslasten finanziell völlig in Unordnung gebracht. “Die Oldenburgische Verwaltungsreform" gibt für die Finanzlage der Gemeinden nach dem Stande vom 15. November ,1932 folgende Statistik: “Gemeinde Apen: Einwohnerzahl 5656, Fürsorge insgesamt 148 8(H RM, auf 1 Einwohner 26,31 RM. — Voraussichtlicher Fehlbetrag: 108 000 RM, ‘ hiervon aus den Vorfahren 52650 RM, Fehlbetrag am ' 15. November 1932 120 400 RM. Nichtbeglichene Forderungen: Kassenkredite 40 000, Gehälter 12 000, Zinsen ’und näbträge 16 boo, nicht eingelöste_Warengutscheine 11. 500, Rechnungen 11200, Amtsverbandsumlagenr 13700 und Sonstiges 16 000 RM. Eine Anzahl Gemeinden hatten noch größere finanzielle Schwierigkeiten im Oldenburger Lande. Und erst die großen und kleinen Industriegemeinden im Reich!


5 . Im diesem Milieu grünte und blilhte der inrsich hohle und dtirre Prcpagandastab Hitlers und trug tausendlältige ' · Früchte in der schwülen Treibhausluft hetzerischcr und‘  Gerneinden. Bei einer solchen Gele¢enheit. und aus busbnderem Anlaß habe ich uis Referent und Wortführcr auf einer Tagung über die Bczuschussung des Staates zu den Lehrergehältcm Auf Grund mir vorliegenden authentischen Materials über Beordnung und Regelung dieser Frage in den deutschen Staaten in der Hitze gies Gefechtes geglaubt, erklären zu könnén:·”d¤ß, wenn die Presseberichte über die letzte Landtagssitzung betreiis des Staatszuschusses zur Lehrerbesoldung richtig wiedergegeben seien, dér Minister den Landtag irrig informiert haben müsse, Eine spätere mündliche Besprechung mit dem Minister brachte keine völlige Aufklärung des wirklichen Sachverhultcs. Im Vorstaude und auf Tagungen des Deutschen Landgemeiudctages in Berlin ist oft, wie auch in der kommu’ nalen Presse, die Frxge der Schullasten eingehend diskutiert worden, Ebenso wurden von hier aus wiederholt Eingaben und Proteste an Reichstag und Läuclerregierungen gemacht. Die Finauznoi der Gemeinden stieg unauf‘ haltsam. Finanzminister Popitz. wie auch Reichs- und . Landtagsabgeurdxxete mußten die unbeiricäigende gesetzliche‘ Beordmmg des Finanzausgieichs zugeben ·- aber die finanziellen Verpflichtungen des Reiches seien vordxiuglicher. ’ ' 7. Keine geordnete Rechuungsiührung ' Der verstorbene Gemeindevorsteher Gustav Tantzcm Einswarden, hat auf dem Oldenburger Gameindetag unter ' Zustimmung aller; Teilnehmer erklärt: “Die Einarxziellcn Verhältnisse i.¤ den Gemeinden sind heute su verwurrcn, daß wir Gemeindevorsteher ständig mit einem Fuß im Gefängnis stehen. Der Ausspruch- Tantzens beleuchtet die Situation, in der die Gemeinden in jener Zeit sich befunden. Wenn dann eine Gemeinde noch einen Rech. uungslührer hat., der Unfähigkeit und Gleichgültigkeit miteinander verkörpert, wie es tatsächlich in der Gcmeinde Apeu der Fall war, dann o wehe dem Gemeindevcrsteherl Die Unfähigkeit des.Recb¤ungs[ührers war in der Gemeinde allgemein bekannt, im Finmzausschuß und im Gemeinderat ist meinerseits wiederholt beantragt, die Stelle mit einer fähigen und tüchtigen Kraft zu besetzen. Ebenso habe ich angeregt, die Gemeinderechnungsführung durch einen beeideten Bücherrevisor nachprüfen zu las„en. Leider fand ich keine Zustimmung. So· kam es, daß rch zur Selbsthilfe schritt. Ich kaufte eine Registriermaschine, die in drei Jahren hätte bezahlt werden können, Aber welche Opposition wurde hiermit ausgeiöstl Jetzt einige Beispiele für vieic.·Endlich, nach befristeter Aufforderung, legte der Rechnuugsführer eine Steuerrestautenliste vor. 32 000 RM Rückstände wurden darin ausgewiesen. Die Unrichtigkeit stellte sich bei der ersten Prüfung durch den Finanzausschuß klar heraus. Bei der späteren genauen Feststellung ergab sich, daß etwa 16 000 RM an Steuern vom Rechnungsiührer einge¤om~ men und nicht verbucht worden waren. Ein gleiches Bild ergab sich, als der Gemeindediener mit dem Rechnungsführer die Rückstände für die Berufsgenossenschaft Oldenburger Landwirte einholen wollten. Die meisten Pflichtigen kcmuten ihre vom Rechuungslührer unterschrieben; Quittung vorlegeni Es liegt auf der Hand, daß diese Feststellungen auch dem Gemeinderat die Augen hätten öffnen können. Jetzt hütte der Gemeinderat ein; greifen müssen, dcch_nein. der Mann kannte auf seinem Posten verbleiben, und zwar, wie sich später ergab, als Mittel, um den. Gemcindcvorsleher zu beseitigen. _ Hier sei erwiihnt, daß die Gemeinde mehrere Jahre hindurch in wechselnder Höhe Eür‘20 000 RM uubezahlte Rechnungen mltauhleppen mußte. Es dürfte völlig klar sein. daß unter solchen Verhältnissen die Jahresrechnungen nicht ordnungsmäßig abgeschlossen werden konnten. Der Recimungstührer war dazu auch nicht iähig. Als ein besunders unwürdiger Zustand wurde es empfunden, daß die geringen Bezüge der Erwerhslcnseu und die dcr sozial Bedürltigen der Gemeinde, weil kein Bargeld vorhanden war, in “Bons" entrichtet werden mußten. Die Kaufleute wurden widerwillig Bunkhalter der Gemeinde. Diese Notmaßnahme erwies sich als ein starkes Nazi-Barometer gegen den Gemeindevursteher. ‘ Die Nationalsozialisten, die in der Gemeinde schon einen beachtlichen Prozentsatz an direkten und indirek Jten Anhänger hatten, wie auch die Kommunisten erklärtcn ganz offen: ,.Wir haben an dem Wohlergehen, an der Existenz der Gemeinde kein Interesse. Das war das Auspizium der Gemeinde! 8. Ein verhängnisvoller Prolog zu meiner Dienstenthebung In dieser so kritischen Zeit bildete sich im Ort Apen ein Zusammenschluß von Personen rnit dem Ziel. eine Molkerei zu gründen. Aus der Konkursmasse der Siems— schen Fleischwarenfabrik wurden die Fabrikgcbäude käuflich erworben. Der Umbau der Gebäude und die Einrichtung sollten nur 70 000 RM kosten. Ich setzte mich mit den Molkereiabteilungen der Universitäten Kicl und Bonn in Verbindung. Von hier erhielt ich die Mitteilung, daß allein die vollständige Einrichtung etwa 350 bis 400 000 RM kosten könnte. Nach dieser Information habe ich erklärt: “daß unter diesen Umständen das Molkereiprojekt ein totgeborenes Kind werden könnte." Jetzt wurde ich zum Gegner des Projektes gestempelt. Ich war kein Gegner, hatte mich nur gegen das lcichtfertige Geschwätz von den geringen Kosten gewendet.~Der Ruf ertönte: “Der Gemeindevorsteher muß beseitigt werden, weil er gegen eine Molkerei ist." Der Ortssusschuß von Apen und vier oder fünf Gemeinderatsmitglieder bliesen die Posaune überlaut. ” ” tsache ist, daß nur die Zwangsmaßnahmen, die die N„,CP. durcbführte, z. B. Ablieferung der Milch durch alle Bauem in der Gemeinde Apen an die Aper Molkerei, den Bankrott verhindert hat, wie die beiden ersten Jahresbilanzen ausgewiesen haben. Meine Voraussage betreffs der Gnlindungskosten wurden ebenfalls als richtig ausgewiesen. 9. Und keiner war‘s gewesen! ‘ Bis Mai 1933 war ich Vertreter der Gemeinde A en im Amtsvorstand, Amtsrat, Verwaltungsgericht und lf)orsitzender des Amts-Wohl!ahrtsausschusses. Somit hatte ich Gelegenheit, mit den führenden Personen des Ammerlandes zusammen zu kommen. In dieser Zeit wurde Amtshauptmann Ott nach Nordenham versetzt. Im Frühjahr 1932 erklärte mir Ott, nicht er sei der Schuldige_ an meiner Amtsenthebung, sondern der Gemeinderat, da derselbe mich habe regreßpflichtig machen wollen, das er verhindert habe. Hierauf habe ich' erwidert: “I·Ierr Amtshauptmann, da haben Sie mir einen sehr schlechten Dienst erwiesen, Aber es lag ganz in Ihrem Interesse, daß die Sache nicht vor eine neutrale Instanz kam. V···i Anfang an haben Sie versucht, mich gegen meine f en im engeren und weiteren Kreise hermetisch abzu en. Ihr Tun konnte das Licht objektiver Kritik nic t vertragen." Was Goethe sagt: .,Ihr lasset den Armen schuldig werden, dann übergeht ihr ihn der Pei¤",_ trifft auf Ott, den Nazianhänger, tatsächlich zu. I Der Gemeinderat entzbg sich unter Fühmng Otts durch seine Beschlußfassung vom 28. April 1931 der gesetzlich ihm obliegenden Verantwortung, sprach mich schuldig ohne jede Untersuchung, ohne vorher eine ernste Klar- · legung der Gesamtverhältnisse mit dem Beschuldigten anzustreben, geschweige durchzuführen. Hier hat der Leiter der Sitzung vom 28. 4, 1931 völlig versagt, ja, es schien Ott mit enugtuung zu erfüllen, als die große öffentliche Versammlung [last lauter Nationalsozialisten] mit Gelächter und Halotria die Berichte von drei Gemeinderatsmitgliedern anhörten über Prüfung der Gemeinde-, Schul- ·und Armenrechnungen. In einer Vorberatung bei Barre in Augustfehn hatte man die einzelnen Rollen verteilL Die ganze Sitzung war Komödie unter Leitung des Herrn Amtshauptmann Ott. “Pflicht"oder “wunsch"gen·iäß beschloß der Gemeinderat das Verfahren gegen mich nach Art. 99 5 3 einzuleiten, Ich selbst_ habe diese Sitzung, diese ekelhafte Komödie, verlassen und ging nach Hause. In einer Bücherbesprechung habe ich gelesen, daß jemand über die heneidenswerte Fähigkeit verfügt haben soll, nämlich das Vermögen, die Qualitäten eines noch unaufgeschnittenen Buches auf den bloßen Geruch hin zu beurteilen. So ähnlich wurde ich schuldig gesprochen. _  10. „Es ist die größte Lust des Lebens, ande des Lebens zu erleichtera." Paul Kellrsi-,dh Last Mil Recht könnte man annehmen, daß wo der Dcktrinarismus und der Idealismus des Nationalsozialismus als . trügerische Wahnidee. als propagandistische Mystik klar erwiesen sind, die nüchterne Vernunft, sowie Recht- und Gerechtigkeitssinn wieder allgemein zur Geltung kommen würden. Doch der Nazigeist, der seit 1924 in steigendem Maße in Deutschland umging, schwebt nicht nur über dem Volke, sondern sitzt tief in den Herzen des Volkes. I.eider beherrschen frühere Pgs und waschechte Kon- _ }unkturritter~ noch vielfach die politische Situation. Meine Eingabe an den Gemeinderat vom 18. März { 1946 sollte dem Gemeinderat die Gelegenheit bieten, den ßeschämenden Beschluß vom 28. April 1931 zu überprüfen. Der heutige Zeitabstand hätte eine ruhige und sachliche Ueberprillung wie Beurteilung ermöglicht. Bemerkt muß werden, daß in dem emannten Gemeinderat über die Hälfte aus iungen Mitgliedern besteht, die die Verhältnisse von damals nur vom Hörensagjen her kennen konnten, und zudem die erste Sitzung erle ten, als meine Eingabe vorlag. Außer dem Gemeindedirektor und dem Bürgermeister waren nur 2 oder'3 Mitglieder, welche die Sitzung vom 28. 4. 1931 mit erlebt hatten. Eine Verlesung meiner Eingabe ist nicht erfolgt. Ohne Verhandlung wurde folgender Beschluß, der offensichtlich vorher fertig gestellt war, vom Gemeinderat gebilligt: “Die Gemeindevertretung hat in ihrer Sitzung vom 1. April (l) 1946 zu Ihrem Antrag Stellung [7) genommen: Die Ehre ist Ihnen _ niemals vom Gemeinderat abgeschnitten worden. Es ist festgestellt [wo und wann?) worden, daß die aufsichtführende Behörde, das Kreisamt Westerstede, dieses damals vertreten durch Amtshauptmann Ott und das Staats- · „ ministerium [nach der Aussage des. damaligen Ministers { Dr, Willers ist das Staatsministeriumanit meiner . Dienstenthebung nie befaßt worden) nach eingehenden Revisionen Ihnen die Fähigkeit als Verwaltungsfachmann aberkannt hat. Die jetzige Gemeindevertretung sieht sich mit Rücksicht auf die damals seitens des —— Staats- ; ministeriums —·- verfügte Amtsenthebung nicht veranlaßt, L Ihrem Antrag stattzugeben." Meyer. ‘ Unbegreifiich ist, daß die Eingabe nicht verlesen, nicht beraten worden ist. Eine solche,.dilettai1tischer Behandlung ist nur zu erklären; mit Unfähigkeit in demokrati- . schen Prinzipien, Angelegenheiten der Gemeinde zu crledigen, oder aber der Nazigeist hat die Situation inspiriert. Nachdem der Gemeindedirektor meine Eingabe in meiner Gegenwart gelesen, erklärte er: “Die Eingabe ist in Ordnung" (entspricht den Tatsachen) und: “s0etwas wurmt einen auch." ‘ i 11. Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewaltl V [Erlkönig] Kurz vor der Entscheidung durch Minister Driver wurde mir durch Rechtsanwalt Holl) e mitgeteilt: “wenn ich freiwillig auf mein Amt verzichte, würde das Ministerium der Gemeinde Apen aufgeben, mir bis Abe lauf meiner Wahlzeit — Juni 1935 —— monatlich 300 RM. Gehalt zu zahlen." Für mich war die Angelegenheiticine ·Ehrensache und nicht eine Brotfragez daher,lehnte ich ‘ dieses verfängliche Angebot entschieden ab. ‘ 'Bei Beginn der Affäre hatte der Untersuchungsrichtez; Ott mir eine Dienstverzichterklärung vorgelegt, die zu unterschreiben ich entschieden ablehnte. Hierbei erklärte ich Ott gegenüber: “1ch erwarte eine gründliche und ohjektive Untersuchung: wo ich schuldig wire._würde ich mich schuldig bekennen, desgleichen erwartete ich aber auch, wo ich nicht schuldig wäre, daß dies ebenso offen erklärt wiirdc." Leider bin ich hierin gründlich enttäuscht worden. Man muß sich fragen: “Warum machte das. Ministerium solch verloclrendes Angeb0t?" Doch nur, die Untersucliung war abgeschlossen,. weil der· Befund zur , Dienstenthebung nicht ausreichte und ich doch beseitigt werden sollte. Das ist die Konsequenz! Der Artikel 99 § 3 der Oldbg. G. O. mußte herhalten. um meine Dienstentlassung auszusprechen. Der Paragraph _ lautet: “Beamte, sowie Hilfsbeamte und Diener der Gemeinden. welche sich. unwürdig oder pflichtvergessen erweisen oder durch eigene grobe Verschuldung zur Wahr· nehmung ihres Dienstes so unfähig geworden sind, daß  ihr Verbleihen mit dem Zwecke, der Ordnung und dem Ansehen des Dienstes unerträglich ist, können auf Antrag oder mit Zustimmung der betreffenden Kqmmunalvertretung vom Staatsministerium ihres Dienstes enthoben werden." Erwähnt sei. daß der Artikel 99 § 3 in ganz Deutschland keine analoge Bestimmung enthält. In gleich gearteten Fällen kommt das Zivilstaatsdienergesetz in Anwendung, ein Dienstgericht entscheidet in ordentlichem Gerichtsverfahren. Es liegt auf der Hand, daß der Begriff * “pflichtvergessen" so oder Enders dehnbar ist. Da der Artikel 99 5 3 ein Ausnahmegesetz ist, mußte erwartet werden, daß die Anwendung streng nach dem Buchstaben und dem Geist des Gcsetzes durchgeführt werde. Z. B. die Entscheidung liegt beim Gesamtkabinctt. Alle drei Minister hätten meine Dienstenthebung unterzeichnen müssen. Es genügt nicht, daß man Papier für die Entscheidung benutzt, auf dem links oben der Aufdruck “Staatsministerium" stand. Der damalige 'Minister Dr. Willers hat mir gegenüber in Zeugengegenwart in meiner Wohnung erklärt: “Das Staatsministerium ist mit 'Ihrer Dienstenthebung nie befaßt worden." Auf meine Entgegnung: “Dann hat Minister Dr. Driver allein die Entscheidung getroffen," entgegnete Willers: “Ja". 12. Meine Amtsenthebnng eine Vorfrucht der NSDAP. Die Entscheidung hält sich fast ausschließlich in ihrer , zgründung an den von Amtshauptmann Ott dem ‘Mini· nrterium eingereichten Untersuchungsbericht. Dieser Bericht ist ein Konglomerat von Unwahrheit, Entstellungen und Verdächtigungen, gemischt mit Tatsachen, die unnormale Verhältnisse als normale behandelt. Es ist ein Meisterstück, eine Dissertation, die geschickt mit List, Freundlichkeit, Drohen und Betuschen in der Untersuchung zusammengeschweißt war. Bedauerlich muß es nein, daß diese ganz in Nazimethoden und Nazigeist geführte Arbeit kein Doktordiplom dem Autofeingebracbt hat. Im Gegenteil, denn nachdem ich im “Ammerländer" die Entscheidung über meine Amtsenthebung veröffentlicht hatte, ist tt vom scbönen_Westerstede, nicht zuletzt unter dem Druck der öffentlichen Meinung nach v Nordenham versetzt worden. Die 'ganze Behandlung des Falles, sowie die einzelnen Vorknmmisse, erinnerten mich an den Roman: “Das harte Geschlecht" von W. Vesper; der Dichter hat Thema und Einzelmotiv dem isländischen Sagas entnommen. Die straffe und eindringlich erzählte Geschichte von Fuchs dem Listigen, einem isländischen Bauernsohn. der seine Gaben so gut zu gebrauchen weiß. daß er durch Klugheit und findigcn Sinn allen seinen Gegnern überlegen ist. Ott wußte den Gemeinderat gefügig und dienstbar zu machen. Nachdem durch einzelne itgliederf durch Naziflüsterpropaganda — ich sollte große Unterschlagungen begangen haben — die Volksstimmung genügend aufgeputseht wu, konnte die Ge-' · nieinderatssitzung vom 28. 4. 1931 •tattfinden._Der Gemeinderat stellte in öffentlicher Sitzung den gewünschten —Antrag nach Art. 99 § 3 der G. O. _ . _    } t3. Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig In dem Resumé der Entscheidung werden die Paragraphen aufgeführt gegen die verstoßen sein soll. Gewiß lagen Verstöße gegen die Gemeindeordnung vor. Es ist offensichtlich, daß Bestimmungen. die für normale Verhältnisse gegeben sind. in Notzeiten dem Buchstaben nach nicht eingehalten werden konnten. Dann ist es wohl nicht angänggg, den Gemeindevorsteher für die Pflichtvergessen eil und Unfähigkeit des Gerneinderechnungsführers verantwortlich machen zu wollen. Besonders nicht, wenn der Gemeinderat wußte, daß der Mann 'Hie Unordnung in der Finanzverwaltung allein verschuldet hatte. Meinem Antrag,_ diesen Posten mit einem, geeigneten Mann zu besetzen. hat die Gemeindeverwaltung nicht stattgegeben. Selbst in dem mvsteriösen Dokument wird ausgeführt: “Die Gemeinde Apen befindet sich seit mehreren Jahren in sehr schwierigen Finanzverhältnissen, Vorschläge für eine Sanierung konnten bisher nicht gemacht werden, weil sichere Unterlagen für den Stand der Finanzen nicht vorlagen/" Femer heißt es in der Entscheidung; .”lnsbesondere ist die Bestimmung des Art. 32 Ziff 5 G. O. unbeachtet geblieben, nach welcher der Gemeindevorstand die Einkünfte der Gemeinde zu verwalten, die auf den Voranschlag oder besonderen Beschlüssen der Gemeindeverwaltung beruhenden Einnahmen und_Ausgaben anzuweisen und das Kassen- und Rechnungswesen zu überwachen hat. Die Mißstände auf diesem Gebiete, das die Grundlage für das Bestehen jeder Gemeinde bedeutet, sind in der Hauptsache darauf zurückzuführen, daß Kallckuhl es unterlassen hat. sich selbst und der Gemeindevertretung eine klare Uebersicht zu verschaffen und den Gemeinderechnungsführer, der pflichtvergessen _ und für dieses Amt unfähig war, ordnungsmäßig zu überwachen".   Die Kardinalursache ist richtig erkannt, doch 5lie' Folgerungen verkerinen 'die Schwierigkeiten einer Ueber·' wacbung des komplizierten Rechnunäswesens einer größeren Gemeinde und dann in solchen eitenl Man beachte das von mir in Abschnitt 7 Dargelegte, Man konnte nicht_ bestreiten, daß meinerseits alles getan worden ist.·um · die verworrenen Verhältnisse aufzuklären bezw. ihnen ein Ende zu bereiten. Nach demokrgtischen Grundsätzen kann der Gemeindevorsteber den Rechnuugsfühier weder 'einstellen noch entlassen und 'nur eine Personaländerung hätte hier helfen können. ’ ' . „ Tatsache bleibt, daß in jener Zeit der Hochkonjunktur des-Nationalsozialismus eine Buchstabenpolitik tausende Gemeindevorsteher mit gleichen Beschuldigungen und gleichen Begründungen in Deutschlandhätte ihres Amtes entheben können, wie es . auch nach '1933 geschehen ls!. Unbestritten steht fest: ngeine Amtsenthebung am‘ 19. Oktober 1931 — ein halbes Jahr vor der ‘ Machtergreifung der NSDAP. lm Freistaat Oldenburg —A war ein Werk der NSDAP. · ' Ernst Kalkkuhl, Gemeindevorsteher a. D.  

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